Rotes Meer 2005

so oder so ähnlich könnte das Resultat einer mehr oder weniger gelungenen Südtour lauten! Aber alles der Reihe nach:

Da war ich nun am 14. Juli 2005, pünktlich 2 Stunden vor Abflug um 9.45 Uhr am Flughafen Düsseldorf eingetroffen, ohne dabei finanziellen Kollateralschaden bei der neu installierten Blitzanlage auf der A 44 erlitten zu haben: So kanns weitergehen! Nachdem ich meine Alukiste mit dem Tauchgepäck auf dem Trolley untergebracht habe, renne ich durch vielfältige flüchtige Duftwolken von Sonnenöl- und Parfümresten zu meinem Schalter, vor dem eine Schlange von reiselustigen Mitmenschen sich gerade von einem Handybrüller in 15 m Entfernung unterhalten lässt. Wozu eigentlich gibt es noch Industriespionage unter Verwendung aufwändiger technischer Apparaturen? Die Interessierten müssten sich nur in Flughafencafes hinsetzen, und sie bekommen alles über Änderungen der Geschäftsstrategie von Konkurrenzbetrieben inclusive der Wutanfälle mit Fäkalausdrücken von Chefs an die Sekretärin gratis und franko zu hören.

Nachdem ich dann längere Zeit gebraucht habe, um mich zur Empfangsdame am Check-In Schalter durchzukämpfen, ist erst mal die Rolle mit den Scanner-Kofferaufklebern alle – dann folgt erbitterter Widerstand des Druckers, sich mit der eingelegten papiernen Frischware anzufreunden. Zum Schluss hängt der Aufkleber genauso schlapp an dem Kistengriff wie die Eincheckdame am Schalter. „ Eine Kiste haben Sie nur? Und wo ist Ihr Gepäck?“ Die Dame konnte einfach nicht verstehen, dass man nur Tauchausrüstung, etwas Sanitärzeug sowie einige Ersatzhosen sowie eine Badehose in einer Kiste unterbringen kann. Misstrauische Blicke und Kommentare folgen meiner Kiste „Wen haben Sie denn darin?“ mit zum Sperrgepäckschalter. Mein Puls geht höher: hoffentlich sehen die die Taucherlampe nicht und den Signalgeber und den UW-Blitz und und und… Aber kein Problem, die Leute sind müde, froh, das die Kiste nicht zu schwer ist und da ich keine Kalaschnikoff in der Kiste habe, geht alles anstandslos durch.

Zunächst gibt’s das übliche Gedränge im Bus zum Flugzeug, aber noch ist alles entspannt, da die Reisevorfreude aufkommenden Ich-will-der-erste-an-Bord-sein-Streß noch kompensiert. Im Flugzeug dann die üblichen Dialoge vor einem Abflug: Gemosere: „Könnse ma zugehn? Is doch alles frei“ – „Ich bin nich zu, ich seh höchstens zu, datt ich hier mich hinsetz un vorher kommt meine Tasche noch ins Gepäckfach, wa?!“ „Hamse die Tasche bald drin? Richtig, sorum, dann pastet auch.“ –„ Wohl Ingenieur der Herr, wa?!“ Bevor die Situation außer Kontrolle gerät, kommt doch mit der Stewardess und den von ihr sofort verteilten Zeitungen etwas mehr Ruhe auf.

Der Flug ist wie das Essen und die Ankunft ohne besondere Vorkommnisse, der Hitzeschlag in Marsa Alam verdaut und wiederum der Kälteschock im Transferbus ebenfalls: ENDLICH: DAS BOOT! Im Hafen wartet ein durchaus ansehnlicher Kahn für 20 Mann. 30 m lang, sauber gestrichen und auch in gutem Zustand. Schlafkabinen unten, erster Eindruck: Ordentlich, dabei blieb es auch die gesamte Zeit meiner Fahrt. Nachdem ich mich häuslich eingerichtet hatte, kam mein Anti-Seekrankheitsmittel Tabacum rein vorsorglich zum Einsatz- sehr empfehlenswert, keine Seekrankheit während der gesamten Fahrt, auch keine Magenprobleme wie sonst üblich. Ein Spaziergang übers Deck und Bekanntschaft mit meinem Zimmergenossen mit anschließendem gehaltvollem Getränkegenuss schlossen den Abend ab: So konnte es weiter gehen!

Nach einer unfreiwillig langen nächtlichen Wartezeit bis zum Mittag des nächsten Tages zur Freigabe der Tauchfahrt konnte der erste Versuch gestartet werden, mich der Unterwasserfauna zu zeigen. In einem natürlichen Hafen etwa eine halbe Stunde von Marsa Sharif entfernt kam der Checktauchgang zum Versuch, Sicht miserabel wegen zuviel Sediment, aber Fische bunt, Wasser blau und Sonne hell. Blaupunktrochen, Schnapper, Rotfeuerfische en masse: mehr ist nicht nötig um einen Taucher glücklich zu sehen! Meine Fotographierwut hielt sich wegen der schlechten Sicht in Grenzen, aber ich war von der Farbenpracht beeindruckt. Weich- und Hartkorallen mit bizarren Formationen sowie unglaubliches Fischvorkommen sind ein wahres Wunder der Natur. Ärgerlich war nur die von manchen Kollegen an den Tag gelegten Verhaltensweisen, sich für gute Fotos ganz in die Korallen zu legen…

Dann, nach nächtlicher Fahrt: erstes Ziel auf hoher See: Daedalus Reef, 5.30 Uhr Wecken, total schlaftrunken raus aufs Deck, rein in die klammen Gummiklamotten, runter ins Zodiac mit den Gedanken Verdammt, von Kampftauchen stand doch gar nichts im Prospekt! Nach 30 min. Ritt bei drei Meter Wellengang konnten wir uns endlich rückwärts in die in die Fluten werfen, und dann hinter unserem eifrig auf Tiefe gehenden Diveguide herhecheln: auf 40 m endlich: Hammerhaie! Einzelne Tiere lösten sich aus dem Schwarm im tiefblauen Freiwasser und kamen interessiert auf mich zu. Wirkliche Urviecher, unheimlich allemal- ich wusste gar nicht, dass mein Puls so schnell werden kann. Das Blitzen meine Fotoapparates jedoch verscheuchte die Tiere dann, sie drehten ab und verschwanden im Blauen. Ein Eindruck von direkter Natur, den ich nicht vergessen werde. Auf dem Rückweg zum Boot dann ein paar Thunas und eindrucksvolle Barrakudas, bis uns dann das Zodiac oben wieder auflas. Bleigurt ins Boot, dann Jacket aufblasen und ausziehen, alles ins Boot werfen und dann selbst sich hinterher hineinmühen: Das Frühstück nach so einer Fahrt ist wirklich verdient!

Beim Frühstück war die Freude durchaus zweigeteilt: diejenigen, die als zweite Gruppe hinter uns hergetaucht war, bekam keine Haie und Großfische mehr zu Gesicht und waren entsprechend enttäuscht. Hier machte sich auch zum ersten Mal die große Anzahl an Booten, die später auch an allen Riffen vorhanden war, bemerkbar. Nur die erste Tauchgruppe morgens hatte Chance auf Sichtung von Großfisch, alle Nachzügler gingen leer aus. Dies sorgte für Verstimmung bei einigen Freunden, die sich in dieser Hinsicht mehr erhofft hatten.

Entschädigt wurden aber alle durch grandiose Strömungstauchgänge, insbesondere am Daedalus Reef schoß man nur so am Steilhang vorbei und musste extreme Kraft gegen die Strömung aufwenden, nur um an einer Stelle für Fotos nur stillhalten zu können. Auch die Nachttauchgänge waren lehrreich: leihe nie Lampen vom Boot… Ich war mit meiner Funzel oftmals noch der Einzige mit Licht, da die geliehenen Lampen nach 20-25 Minuten leer waren. Entsprechend kurz waren dann die Tauchgänge. Die Sichtung von Krokodilsfischen, Napoleons von 2m Länge schlafend in Höhlen und Stierkopfpapageifische zusammen mit schlafenden Schildkröten bleiben aber immer ein eindrucksvolles Erlebnis solcher Exkursionen. Auch wenn die Überwindung anfangs nicht leicht ist, ins Schwarze zu springen, entschädigt jeden Taucher doch der Eindruck von aktiven Korallen und der nächtlichen Geräuschkulisse der nachtaktiven Riffbewohner mit Knacken, Knistern und Kratzen sowie dumpfen, heiseren Rufen. Schwierigkeiten hatte ich nur manchmal, unser Boot wiederzufinden, da häufiger Boote in der Nacht hinzukamen und die Schiffe unter Wasser durchaus ähnlich sind… Entsprechend gestaltete sich der nächtlicher Shuttleverkehr von Tauchern auf der Suche nach dem Heimatboot durchaus aktiv!

Bemerkenswert bleibt an dieser Reise neben den vielfältigen Eindrücken, die das Rote Meer bietet, noch unser letztes Riff: Elphinstone! Ein Name, ein Riff, ein Mythos: Die Wirklichkeit war leider real existierende Tristesse. 13 Boote mit insgesamt etwa 240-260 Tauchern im Wasser ließen in flacheren Wasserschichten alles rennen retten flüchten, was sich in der Tierwelt nur bewegen kann: Die Blasenvorhänge an der Riffkante erinnerten an Buckelwale beim Mittagessen, die ihren Krill einfingen. Haie daher weg, nur auf 47 m stand unerschütterlich ein Schwarm großer Barrakudas, der sich offenbar durch Masse Respekt verschaffte und nicht zu nah betaucht wurde. Sonst hat Elphinstone nicht viel zu bieten.

Interessant war dann der Taucherjahrmarkt an der Wasseroberfläche, jeder suchte sein Boot und hielt Flosse oder Boje hoch. So viele Taucher auf einmal habe ich noch nie gesehen, ein Wunder, dass niemand verloren ging. Aufzupassen war immer auf die rasanten Zodiacs aller beteiligten Hausboote, die zwischen den Gruppen hin und her preschten.

Fazit: Immer wieder so eine Reise, leider sind auch auf der Südtour die Riffe übertaucht und manche Plätze einfach nicht mehr ruhig zu genießen.

Jan Bruckermann